15.10.2015: Schwefelwasserstoff mit über 500 ppm aus Kanal
Mit einer ungewöhnlichen Hilfeleistung waren rund ein Dutzend Kräfte der Freiw. Feuerwehr Alkoven am Abend des 15. Oktober 2015 konfrontiert. Sie wurden zu einem Stoffaustritt gerufen, wo es stark nach faulen Eiern riechen sollte. Es folgte ein mehrere Stunden dauernder Einsatz.
Der Schulungsabend der Freiw. Feuerwehr Alkoven zum Thema „Liftöffnungen“ war gerade am Ausklingen, als gegen 21.30 Uhr ein Feuerwehrmann von zuhause aus im Feuerwehrhaus meldet, dass es bei ihm in der Eferdinger Straße massiv nach faulen Eiern riechen würde und man sicherheitshalber mittels Messergerät vor Ort kommen könnte. Eine Fahrzeugbesatzung rückte daraufhin zur nur wenige Hundert Meter entfernte Einsatzstelle ab. Im Inneren des Wohnhauses konnte das Multiwarngerät schlussendlich 40 ppm Schwefelwasserstoff detektieren. Schwefelwasserstoff entsteht unter anderem beim Faulprozess in Abwässern und zeichnet sich durch den intensiven Geruch nach faulen Eiern aus. Ab einer Konzentration von 50 ppm sind Evakuierungsmaßnahmen vorgesehen.
Über 500 ppm aus Kanalschacht
Im Zuge der weiteren Erkundung öffnete die Feuerwehr einen auf der Zufahrt situierten Kanalschacht. „Merkte man es bereits an der Nase, bestätigte sich der Eindruck einer massiven Konzentration auch per Messgerät“, schildert der erste stellvertretende Feuerwehrkommandant, Markus Unter. „Das Gerät ist in Lage, bis zu 500 ppm Schwefelwasserstoff (H2S) anzuzeigen, eine Konzentration, die bei längerem Einwirken bereits zur Bewusstlosigkeit führt. Genau diese wurde auch anzeigt, so dass von einer noch höheren H2S-Konzentration ausgegangen werden musste. Nach Verständigung der Gemeinde und dem Analysieren der Kanalwege in diesem Bereich wurden die Wohnhäuser der höher liegenden Region (Linifeldstraße) kontrolliert. Ebenso erfolgte die Kontrolle der Häuser im Bereich der Alten Hauptstraße. „In Summe haben wir in rund 20 Gebäuden Messungen vorgenommen“, so Unter weiter. „Gefährliche Konzentrationen im Gebäudeinneren konnten wir nirgendwo feststellen, im Kanalsystem wurden jedoch wenige Hundert Meter weiter vorübergehend immer noch 250 ppm Schwefelwasserstoff festgestellt!“.
Absaugarbeiten durch Kanalfirma
Da beim erstgemessenen Schacht die höchste Konzentration festgestellt worden ist, wurde ein Kanalsaugwagen an die Einsatzstelle beordert, welcher im Anschluss Absaug- und Reinigungsarbeiten durchführte. Hierbei wurde eine Kanalverstopfung festgestellt. Hierbei dürfte es beim bakteriellen Faulprozess über längere Zeit zu dieser Ansammlung an Schwefelwasserstoff gekommen sein. Aufgrund der Trennung von Regen- und Abwasserleitungen geschlossenen Kanaldeckel konnte das Gas auch nicht entweichen. Ebenso wurde per Tanklöschfahrzeug eine Spülung des Kanalsystems im sekundär betroffenen Bereich der Linifeldstraße vorgenommen, was in Verbindung mit den angelaufenen Absaugarbeiten bereits zu einer markanten Senkung der Gaskonzentration geführt hat.
Entlüften des Kanals
Nach dem Abschluss der Arbeiten durch die Kanalfirma waren an der auslösenden Stelle lediglich noch 5 ppm Schwefelwasserstoff messbar. „Aus Sicherheitsgründen wurde dennoch das in der Zwischenzeit aus Linz abgeholte Be- und Entlüftungsgerät zum Einsatz gebracht, welches seitens der Berufsfeuerwehr Linz zur Verfügung gestellt worden ist“, erzählt Einsatzleiter Markus Unter weiter. „Hiermit haben wir noch über mindestens 30 Minuten die Kanalluft aus dem Schacht gesaugt und gegen 00.30 Uhr auch die restliche Schwefelwasserstoffkonzentration ins Freie gebracht!“ Im Zuge von zwei durchgeführten Nachkontrollen, die letzte in den Morgenstunden des 16. Oktober 2015, wurde der Erfolg der gesetzten Maßnahmen bestätigt. Für die Einsatzkräfte endete die Hilfeleistung schließlich kurz vor 1 Uhr nachts.
Allgemeines zu H2S
Schwefelwasserstoff – H2S – ist ein leichtflüchtiges, hochgiftiges Gas mit üblem Geruch (nach „faulen Eiern“), das darüber hinaus als starkes Reduktionsmittel zu einer Verarmung des Abwassers an Sauerstoff führt. Außerdem wirkt Schwefelwasserstoff indirekt korrodierend auf Betonrohre, da er in Anwesenheit von (Luft-)Sauerstoff bakteriell zu Schwefelsäure umgewandelt wird, deren korrodierende Wirkung auf Beton bekannt ist. All diese Eigenschaften zwingen dazu, aus dem Abwasser und aus Abgasen den Schwefelwasserstoff so weitgehend wie irgend möglich zu entfernen. Schwefelwasserstoff liegt in Wasser als H2S, in alkalischer Lösung als Hydrogensulfid (HS-) bzw. als Sulfid (S–) gelöst vor, je nach Alkalität der Lösung. Er gelangt in Abwasser (oder in das Abgas) entweder aus industriellen Prozessen, oder er wird durch bakterielle Vorgänge dort erst gebildet: Unter bestimmten Bedingungen (lange Verweilzeit des Abwassers im Kanalisationssystem, hohe Belastung mit Schmutzstoffen, hohe Außentemperaturen im Sommer u. a. m.) tritt im Abwasser eine hohe Sauerstoffzehrung ein, bis zuletzt völlig anaerobe Verhältnisse vorliegen. Dabei werden dann eine Reihe von an sich unproblematischen Schwefelverbindungen durch Bakterien zu Schwefelwasserstoff umgewandelt, der nur begrenzt in Wasser löslich ist und vor allem bei turbulenter Strömung leicht ins Freie tritt, mit der Folge, dass in der Leitung Korrosionen und in der Umgebung eine u. U. kaum erträgliche Geruchsbelästigung eintreten.
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